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portfolioprojekte (laufend)Gentechnik OsteuropaHintergrund

Förderung der Anti-Gentechnik-Bewegung in Osteuropa durch die grassroots foundation

 

 

Die grassroots foundation hat im Jahr 2002 das Projektbüro !make sense! mit dem Aufbau eines neuen Förderschwerpunkts „Gentechnik“ beauftragt, der seitdem von mir als Projektverantwortlicher für die Stiftung betreut wird. Ziel ist es, in den Ländern Südost-, Zentral- und Osteuropas den zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen die weitgehend unkontrollierte Einführung der Agro-Gentechnik aufzubauen und finanziell zu unterstützen.

 

Weltweit werden zurzeit rund 80 Millionen Hektar gentechnisch veränderte Pflanzen für kommerzielle Zwecke angebaut. Gleichwohl hat sich die Agro-Gentechnik als ökologische wie sozio-ökonomische Risikotechnologie noch keineswegs in allen Teilen der Welt durchgesetzt: Die Hälfte aller Anbauflächen liegt in den USA und ein Fünftel in Argentinien. Weitere 17 Prozent verteilen sich auf Kanada, Brasilien und China. Die Europäische Union, einer der wichtigsten Märkte weltweit, ist dank des Widerstands in der Bevölkerung und einer vergleichsweise strengen Gentechnik-Gesetzgebung nach wie vor weitgehend gentechnikfrei.

 

 

Warum Förderung in Osteuropa?

 

Vor diesem Hintergrund war und ist es für die Gentechnik-Industrie nahe liegend, mit ihren Wirtschaftsaktivitäten in den osteuropäischen Raum vorzudringen. Seit der politischen Öffnung des Ostens ist der Einfluss der westlichen Konzerne dort kontinuierlich gestiegen. Für sie sind diese Länder nicht nur aufgrund der schlechten Marktsituation für Gen-Produkte in der EU als ökonomisches Ausweichgebiet von Bedeutung, sondern auch aufgrund der politischen, wissenschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Lage vor Ort. Die Einführung der Gentechnik wird in den Augen der Großkonzerne begünstigt durch folgende Faktoren:

 

Es sind Länder mit einer noch z.T. recht schwachen demokratischen Kultur, in denen das Recht auf Information der Bürger oder gar deren Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen kaum wahrgenommen wird bzw. von diesen wahrgenommen werden kann.
In vielen Ländern gibt es bislang noch keine Gesetzgebung, die den Einsatz der Gentechnik verbindlich regelt.
Dort, wo es solche Gesetze gibt, sind diese in der Regel sehr schwach; überall fehlt es an institutionellen, personellen und technischen Möglichkeiten für deren Vollzug. Oftmals mangelt es schlicht an der Laborausstattung, um Verunreinigungen mit GMOs bei Saatgut oder Lebensmitteln feststellen zu können.
Wissenschaftliche Gremien, die den Auftrag haben, Freisetzungsanträge zu begutachten, sind in vielen Ländern mit den gleichen Wissenschaftlern besetzt, die entsprechende Anträge stellen. Eine wirksame Prüfung und Kontrolle von Freisetzungsanträgen ist damit nicht zu erwarten.
In der Verbraucherschaft, den Medien, aber auch in der ländlichen Bevölkerung gibt es in fast keinem dieser Länder ein Bewusstsein für die Risiken der Gentechnologie. Gentechnik ist kein „issue“ in der öffentlichen Debatte.

 

All dies schafft ein Klima mangelnder Transparenz und Kontrolle, das sich die Gentechnik-Firmen zunutze machen.

 

Zunächst waren es vor allem Lebensmittel-Hilfslieferungen, die ungekennzeichnetes Gen-Food in die Regale der Lebensmittelgeschäfte brachten. Dies gilt sowohl für Russland und die neuen Unabhängigen Staaten (CIS) als auch für die Balkanregion. Unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe und ohne Wissen der Bevölkerung und der jeweiligen Regierungen werden von den USA immer wieder gentechnisch veränderte Lebensmittel in den Ländern des Ostens verteilt.

 

Was den kommerziellen Anbau von Gen-Pflanzen angeht, so gibt es diesen bislang offiziell nur in Rumänien, wo bereits jede zweite Sojabohne gentechnisch verändert ist. In den meisten anderen Ländern laufen jedoch großflächige Freisetzungsversuche mit dem Ziel, die Gentec-Sorten auf die jeweiligen Standortbedingungen anzupassen und entsprechendes Saatgut zu vermehren. Das ist jedoch nur dann ökonomisch sinnvoll, wenn diesen Versuchen in absehbarer Zeit auch ein kommerzieller Anbau folgen soll.

 

Die EU-Beitrittsländer der ersten Runde haben mittlerweile ihre Gentechnik-Gesetzgebung weitgehend den EU-Standards angepasst, wenn auch z.T. die Mittel fehlen (und oft auch der politische Wille), sie praktisch umzusetzen. So wurden bislang in den wenigsten Ländern zertifizierte Kontrolllabore eingerichtet; ein Monitoring der landwirtschaftlichen Produktion (importiertes Saatgut!) oder der Lebensmittel- und Rohstoffimporte (Soja, Mais!) findet folglich so gut wie gar nicht statt. Dies gilt auch für die anderen Ländern Südost- und Osteuropas, wo es meist entweder gar keine oder nur eine völlig ineffektive und laxe Gesetzgebung gibt.

 

Wenn jedoch riesige Märkte wie etwa der russische in Zukunft weitgehend unkontrolliert Gentechnik in die Landwirtschaft einführen sollten, ist es angesichts der Warenströme zwischen Osteuropa und des westeuropäischen Ländern nur eine Frage der Zeit, bis die EU massive Probleme haben wird, ihre Standards und Schwellenwerte etwa im Bereich des Saatguts einzuhalten.

 

 

Bisherige Förderaktivitäten

 

In immer mehr Ländern Osteuropas finden sich vereinzelt NGOs, die sich kritisch mit der Gentechnik auseinandersetzen. Oft sind es nur wenige Personen, die an entsprechenden Kampagnen arbeiten. Eine Hauptaufgabe ist die Aufbereitung von Informationen in der jeweiligen Landessprache sowie Recherchen über die Situation im eigenen Land, sowohl hinsichtlich des Anbaus als auch hinsichtlich des Imports von GMOs und deren Präsenz im Lebensmittelbereich.

 

Bislang wurden von der grassroots foundation weit über 50 Projekte mit jeweils einem Finanzvolumen von 1.000 bis max. 5.000 Euro gefördert, und zwar in folgenden Ländern: Slowenien (2), Kroatien (2), Serbien (2), Bulgarien (5), Rumänien (3), Polen (4), Estland (1), Russland und die Russische Föderation (28), Ukraine (2), Armenien (2), Tatarstan (1), Tadschikistan (3) sowie vier Projekte, die von Deutschland aus durchgeführt wurden.

 

Die Projekte haben dabei meist mehrere der folgenden Ziele verfolgt:

 

Politische Lobbyarbeit
Monitoring des Gesetzgebungsverfahrens und des Gesetzesvollzugs
Entwurf alternativer Rechtstexte
Aufbau gentechnikfreier Anbauregionen
Allgemeine Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (Massenmedien)
Bildungsarbeit für bestimmte Zielgruppen (Landwirte, Verbraucher, Wissenschaftler, Journalisten, Naturschützer, Kirchenvertreter)
Networking der Anti-GMO-Gruppen untereinander
Informationsaustausch mit NGOs aus Westeuropa
Aufbau der dafür notwendigen technischen Infrastruktur (Website, E-Mail-Newsletter etc.)
Publikationen (Bücher, Faltblätter, Plakate etc.)
Tagungen und Workshops

 

 

Entwicklung des Förderschwerpunktes

 

Nach vereinzelten Projektförderungen zunächst in Russland lag ein erster Fokus der Förderung in den Jahren 2002 und 2003 auf der Balkanregion. Dort haben die USA während und nach dem Jugoslawienkrieg eine aggressive Markteinführung gentechnisch veränderter Lebensmittel und Pflanzen versucht. Hier galt es, vor allem über die Medien und die Öffentlichkeit über diese stillschweigende Einführung gentechnisch veränderter Produkte zu informieren und politischen Druck aufzubauen.

 

Rund die Hälfte der von grassroots finanzierten Projekte wurde in Russland und den ehemaligen Sowjetrepubliken durchgeführt. Dies hängt zum einen mit der Größe und ökonomischen Bedeutung dieser Region zusammen. Die durch die Kollektivierung entstandenen großen Strukturen in der Landwirtschaft „eignen“ sich besonders für den Einsatz der Agro-Gentechnik. Entsprechend groß sind die Begehrlichkeiten der internationalen Agrarkonzerne. Hinzu kommt, dass rund 80 Prozent der gesamten Biodiversität in Europa auf das Gebiet Russlands fällt; auch von daher verdient Russland bei der Freisetzung von GMOs eine erhöhte Aufmerksamkeit.

 

Seit dem Jahr 2004 gewinnt die internationale Bewegung zur Einführung gentechnikfreier Regionen an Bedeutung. Hierbei wird versucht, auf betrieblicher, kommunaler und/oder regionaler Ebene freiwillige Vereinbarungen und Absprachen aller Stakeholder zu treffen, die den Beibehalt einer gentechnikfreien landwirtschaftlichen Produktion ermöglichen. Die grassroots foundation unterstützt entsprechende Initiativen u.a. in Slowenien, Polen, Estland, Bulgarien, Rumänien und Russland. Der Aufbau gentechnikfreier Regionen wird auch in Zukunft ein Schwerpunkt der Förderaktivitäten der Stiftung sein.

 

 

Einige Projektergebnisse

 

Die Ergebnisse der von uns geförderten Projekte lassen sich nur zum Teil objektiv erfassen, da bei vielen Vorhaben die Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit für bestimmte Zielgruppen im Zentrum steht. In fast allen Ländern konnte jedoch mit Hilfe der grassroots foundation erreicht werden, dass die ökonomischen, sozialen, gesundheitlichen und ökologischen Risiken der Gentechnik sowie alternative Entwicklungspfade für die Land- und Lebensmittelwirtschaft erstmals überhaupt in der Öffentlichkeit thematisiert und wahrgenommen wurden. Anders als in den Ländern der EU gab es in Mittel- und Osteuropa bislang keine kritische Öffentlichkeit zu diesen Themen.

 

Einige konkrete Projektergebnisse und Erfolge der von uns geförderten Gruppen seien abschließend genannt:

 

Die vielfältigen Förderaktivitäten in Russland und den ehemaligen Sowjetrepubliken (CIS) haben 2004 zur Gründung einer „Alliance on Biosafety in CIS“ geführt, der mittlerweile 18 NGOs aus acht verschiedenen Ländern angehören und die von der grassroots foundation finanziert wird. Neben gemeinsamen politischen Aktivitäten, der Aufdeckung verschiedener Lebensmittelskandale (z.B. GMOs in Babynahrung) wurde durch den Aufbau der ersten rein russischsprachigen Website und eines Newsletters die Information der Öffentlichkeit intensiviert.
In Tadschikistan konnte durch verschiedene Workshops und Informationsveranstaltungen für Politiker und Medienvertreter erstmals die Bedrohungen durch die erwartete Einführung der Agro-Gentechnik in den Ländern Zentralasiens diskutiert und publik gemacht werden. An diesen Veranstaltungen nahmen auch NGOs und Regierungsvertreter aus den umliegenden Staaten Kirgistan, Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan teil.
In Polen konzentrierte sich die Arbeit v.a. auf Workshops und Informationsveranstaltungen speziell für Landwirte und landwirtschaftliche Berater. Darüber hinaus wurde in einigen Regionen der Aufbau gentechnikfreier Anbaugebiete unterstützt.
In Bulgarien gelang es durch Mitarbeit in den parlamentarischen Fachgremien, aber auch durch Mobilisierung einer kritischen Öffentlichkeit das neue Gentechnik-Gesetz deutlich zu verschärfen und weitgehend auf EU-Niveau zu heben. Zurzeit konzentrieren sich die Aktivitäten auf den Aufbau einer ersten gentechnikfreien Region Bulgariens.
In Rumänien, dem Land Europas mit dem größten kommerziellen Anbau von GMOs, wurde die erste gentechnikfreie Anbauregion auf kommunaler Ebene errichtet. Darüber hinaus konnte für rumänische NGOs und Medienvertreter ein Informationsnetzwerk aufgebaut werden.

 

 




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